
„Wieder und Wider“ – „Heilung durch Gemälde“ und ‚Mathematik als Kunst`? – Die Highlights der Galerie der Gegenwart
„Wieder und Wider“ – „Heilung durch Gemälde“ und ‚Mathematik als Kunst`? – Die Highlights der Galerie der Gegenwart mit Stefanie Busoll sehen.
So viele Fragen, so viele Medien, so viele Antworten auf wichtige Fragen und zu Themen der heutigen Zeit.
Stefanie Busold entführte uns am Dienstag, 27. November 2018 in die Sammlung der zeitgenössischen Kunst der Galerie der Gegenwart in der Hamburger Kunsthalle. Wir stiegen in die Tiefe des Kellers in den Pyramidenstumpf hinab, hier begrüßte uns Stefanie Busold und führte uns kurz zu den Räumlichkeiten und in die Geschichte der Galerie der Gegenwart ein. Diese wurde 1997 als neue Ausstellungsfläche für die zeitgenössische Kunst in der Hamburger Kunsthalle eingerichtet. Durch mehrere auch international beachtete Ausstellungen und eine umfangreiche Sammlung von der Pop Art bis heute ist der von Oswald Mathias Ungers im postmodernen Stil gestaltete Kubus immer bekannter und bedeutender geworden.
Gleich zu Beginn waren wir mit der „Land Art“ und „Minimal Art“ eines Richard Long oder der Hard Edge Malerei in unserer Kunstsehkonvention herausgefordert. Die skulpturale Arbeit „Mountain Circle, Frankfurt“ 1991, ein weißer Kreis aus Kalksteinen, von Richard Long begrüßte uns zu Beginn. Bekannt geworden ist Long für seine Bodenskulpturen aus aufgesammelten Steinen oder aus Treibholz, die er im Ausstellungsraum zu großformatigen Kreisen oder Rechtecken arrangiert. Spuren dieser Art hinterlässt er aber auch als temporäre Werke in den besuchten Landschaften.
Das Aufkommen der Minimal- und Konzeptkunst in den 1960er Jahren bedeutete einen radikalen Bruch mit dem traditionellen Werkbegriff. Serielle Wiederholungen, eine Reduktion auf einfache klare, oftmals geometrische Strukturen, sowie die Verwendung industrieller Materialien kennzeichnen diese Kunstrichtung.
Robert Mangold zum Beispiel erforscht elementare malerische Fragestellungen nach den Beziehungen zwischen Form, Linie und Farbe in abstrakten Bildern.
Im nächsten Raum treffen wir auf eine Arbeit des Künstlers Franz Erhard Walther, der auf der letzten Kunstbiennale in Venedig mit dem Goldenen Löwen als „bester Künstler“ ausgezeichnet wurde. In der Oberstufe erleben unsere Schülerinnen und Schüler seine Skulpturen in Lager- wie in Handlungsform. Mit diesen meist Stoff- oder Metallobjekten sollen Handlungen ausgeführt werden. Ein Übergang zur Performance-Art?
Wir drehen uns um und sind gleich mit der „Arte Povera“ konfrontiert. Arte Povera (ital. „arme Kunst“) wurde 1967 als Stilbezeichnung von dem Kunstkritiker Germano Celant geprägt und steht für eine Bewegung von bildenden Künstlern aus Rom und Norditalien zwischen 1957 – 1975. Es sind häufig Arbeiten mit gefundenen und inszenierten Naturmaterialien.
Mathematik und Kunst? Bei Mario Merz eine Selbstverständlichkeit: Mario Merz‘ Arbeit „Ohne Titel“, 1992/93 besteht aus Reisigbündeln und ganz vielen Zahlen. Die begleitende Mathematiklehrerin und der Mathematiklehrer haben die Fibonacci-Folge vermutlich gleich erkannt. Sie steigt in dieser Arbeit vertikal auf. Bei dieser Zahlenreihe ergibt sich die nächste Zahl jeweils aus der Summe der vorhergehenden beiden (1, 1, 2, 3, 5, 8 usw.). Wir erfahren über Fibonacci, einem Mathematiker, der zu Beginn des 13. Jahrhunderts in Italien lebte, er habe mit dieser Zahlenreihe das Modell für das natürliche Wachstum entdeckt und damit ein numerisches Modell der Evolution. Das kontinuierliche Anwachsen der Reihe umschreibe ein unendliches Werden der Dinge, ein andauerndes, exponentielles Wachstum.
Oder doch lieber Heilung durch Gemälde? Ilya Kabakovs Arbeit „Healing with Paintings“, 1996 (Heilung durch Gemälde) ist eine Rauminstallation und ist eigens für die Hamburger Kunsthalle als Künstlerraum installiert worden.
Durch eine heruntergekommene, sich nicht ganz öffnende Holztür betritt man einen knarrenden wackeligen Holzfußboden, erblickt eine ärmliche Krankenstation und fühlt sich in eine vergangene fremde Welt versetzt. Ein Text an der Wand zwischen den kleinen Krankenzimmern erläutert, dass hier Nervenleiden durch die Betrachtung von Malerei geheilt würden, und behauptet, dass die Therapie „Healing with Paintings“ bedeutend sei. Ganz leise hört man klassische Musik.
Voller Ironie gestaltet der Konzeptkünstler Ilja Kabakov zusammen mit seiner Frau den Kontrast zwischen dem fiktiven sowjetischen Sanatorium und dem modernen Museum, zwischen der Malerei im Stil des Sozialistischen Realismus und der konzeptuellen Kunst in den angrenzenden Räumen.
Eine weitere Rauminstallation ist die Arbeit „Tropfsteinmaschine“, 1996-2496 von Bogomir Ecker. Sie will den natürlichen Prozess der Entstehung eines Tropfsteins im Museum für Kunst nachstellen. Sie erstreckt sich über alle Etagen der Galerie der Gegenwart. Bis zum Jahr 2496 soll hier ein etwa fünf Zentimeter großer Tropfstein entstehen.
Nach dem kurzen Verweilen in der Videoinstallation von Bruce Nauman fahren wie mit dem Fahrstuhl aus dem Pyramidenstumpf des Ungersbau hinauf in die obere Etage des Kubus.
Dieser Teil der Ausstellung ist betitelt: „Wieder und Wider“. Der Titel benenne die beiden grundlegenden Prinzipien der Ausstellung: Wiederholung und Widerspruch.
Eine nackte Dame mit Kopftuch aus Bronze begrüßt uns dort: Olaf Metzel „Turkish Delight“, 2006. Irritiert sind wir ob der selbstbewussten Nacktheit trotz verhüllendem Kopftuch. „Turkish Delight“ ist eigentlich die Bezeichnung einer Süßigkeit, hier fungiert sie als Titel. Die Skulptur ist eine etwas kleiner als lebensgroße Frau. Die Nacktheit der Frau in der abendländischen Kultur und ihre Verhüllung in der islamischen Welt treffen hier in einer Frauenfigur aufeinander, was einen Konflikt provoziert.
In den folgendem Räumen treffen immer verschiedene Kunstpositionen aufeinander z.B. Malereien von Sigmar Polke treffen auf Objekte von Haegue Yang.
Neo Rauch, ein bedeutendster Vertreter der sogenannten Neuen Leipziger Schule gibt viele Fragen mit seiner nahezu surrealistisch anmutenden Arbeit „Die Fuge“, 2007 auf.
Auch die kunsthistorisch wie politisch bedeutsame Arbeit „Oswald“, 1964 von Gerhard Richter wird in der Ausstellung gezeigt. Gerhard Richter malte dieses Bild nach einem Foto, das am 5. Januar 1964 in der Zeitschrift „Stern“ veröffentlicht wurde. Es zeigt Lee Harvey Oswald, den mutmaßlichen Mörder John F. Kennedys, beim Verteilen von Fidel-Castro-freundlichen Flugblättern. Das Bild wirkt auf den ersten Blick unvollendet. Im linken Bilddrittel ist noch die Bildrasterung auf weißer Leinwandgrundierung sichtbar, die den Übertragungsvorgang vom Foto auf die Leinwand erkennen lässt. Das Prozesshafte sowohl der Bildentstehung wie die Suche nach der Wahrheit / Realität sollen hier verdeutlicht werden.
Und viele weitere Positionen, die wir sahen, machen Lust auf viel mehr zeitgenössische Kunst!
Schülerinnen und Schüler, Eltern wie Lehrerinnen und Lehrer sagen „Danke“ an Stefanie Busold, die uns dieses Eintauchen in auch zunächst etwas sperrig erscheinende Bildwelten ermöglichte und uns diese im Anschluss immer wieder begeistert erleben lässt.