
Über die endlose Zuneigung der Kinder
Als wir heute im Projekt ankamen, stürmte direkt eine Horde Kinder auf uns zu. Sie wollten mit uns spielen, auf den Arm und kuscheln. Momente wie diesen erlebten wir in den letzten zehn Tagen ständig. Einmal ging es sogar so weit, dass die Kinder sich gegenseitig geboxt haben, um als erster auf unseren Arm zu kommen. Uns begeistert die Offenheit und das blinde Vertrauen der Kinder sehr, doch trotzdem haben wir angefangen, uns Gedanken darüber zu machen.
Wir vermuten, dass die Kinder unsere Aufmerksamkeit besonders genießen, da sie häufig weniger Zuneigung von Zuhause bekommen, als wir es vielleicht gewohnt sind. Während in unseren frühen Lebensjahren die Aufmerksamkeit und Zuneigung der Eltern groß ist, werden die Kinder hier bis sie laufen können noch permanent auf dem Rücken überall mit rumgetragen. Damit könnte ein sehr großer Fokus ausschließlich auf das erste Jahr gelegt werden, denn sobald sie ihre ersten sicheren Schritte setzen, werden sie schon früh sich selbst überlassen, obwohl sie auch weiterhin das Bedürfnis nach viel Aufmerksamkeit haben und die plötzliche Veränderung nicht nachvollziehen können. Außerdem haben wir bereits häufig Kinder ab zwei Jahren ohne Eltern am Straßenrand spielen und toben sehen, da sie schon sehr früh auf sich allein gestellt sind. Dadurch, dass es in den Großfamilien häufig sehr viele Kinder gibt, teilt sich die Aufmerksamkeit auf alle Kinder auf. Wenn ein neues Kind geboren wird, sind die Älteren häufig auf sich alleine gestellt, da die Aufmerksamkeit nun dem Neugeborenen gewidmet wird.
Zusätzlich sind in den Familien Grundbedürfnisse (wie Essen und Trinken) sowie Bedürfnisse nach Sicherheit (wie festes Einkommen, Arbeit und Wohnen) häufig nicht befriedigt. Deshalb müssen die sozialen Bedürfnisse (wie Liebe und Zuneigung) von den Eltern in den Hintergrund gestellt werden. Da sie sich vorrangig um die Befriedigung der wichtigsten Bedürfnisse kümmern müssen, haben sie selten die Zeit, um mit ihren vielen Kindern zu spielen und zu kuscheln.
Außerdem ist der Kontakt zu Weißen hier eine Seltenheit und dadurch für die Kinder sehr besonders. Die Kinder fassen unsere Haare und Haut fasziniert an und genießen es bei uns zu sein. Auch wenn in Namibia durchaus Weiße leben, sind in den Townships und dem Umfeld der Kinder ausschließlich Schwarze. Für viele der Kinder ist es somit das erste Mal, dass sie wirklichen Kontakt zu Weißen haben.
Während wir mit unseren Kindergärtner*innen viel gespielt und gekuschelt haben, gehen die Kinder hier in die Vorschule, die ab 2,5 Jahren beginnt, wo nicht so ein enger Kontakt zu den Lehrer*innen besteht. Da die Klassen größer sind, ist das auch kaum möglich. Die Lehrer*innen haben bei so vielen Kindern Schwierigkeiten sich auch mal Zeit für einzelne zu nehmen. Zum Teil werden die Kinder sogar geschlagen, was bei uns unvorstellbar wäre. Dadurch entsteht leider kein blindes Vertrauen, wie in den meisten deutschen Kindergärten.
Gerade an den Kindern haben wir gesehen, wie wichtig Liebe und Zuneigung für uns alle ist, nur leider geht sie bei uns allen im Alltag mal mehr und mal weniger unter.
Cecilia und Norina