
Tag der Bioethik – Ein Erfahrungsbericht
Der „Tag der Bioethik“ – wir berichten (Amir und Lukas)
Am Donnerstag, den 18. April, fand fächerübergreifend der „Tag der Bioethik“ für das gesamte zweite Semester statt. Das Thema „Bioethik“ wurde im Vorfeld im Fach Religion sowie im Biologieunterricht des Naturwissenschaftlichen Profils behandelt.
Im Rahmen eines Vortrages über die Krankheit NCL (Neuronale Ceroid Lipofuszinose), durch Frau Serio von der NCL-Stiftung, wurden die Schülerinnen und Schüler des Naturwissenschaftlichen Profils sehr genau über die genetischen Ursachen, Symptome und das Krankheitsbild aufgeklärt. NCL ist eine seltene – in Deutschland sind ca. 400, weltweit ca. 50.000 Kinder betroffen – und rezessiv vererbbare Krankheit, die für gewöhnlich in der frühen Kindheit aufritt und im Alter zwischen 20 und 30 Jahren zum Tod führt. Da die Krankheit unheilbar ist, bleibt nur die Möglichkeit einer sterbebegleitenden und symptomlindernden Therapie.
Was halten Sie von dem Kingsmore Präventionschip? (Erfahrungsbericht von Cosima)
Im Mittelpunkt des „Tages der Bioethik“ stand der Kingsmore Präventionschip, welcher in den USA schon teilweise im Einsatz ist, sich in Deutschland derzeit an zwei Kliniken in der Testphase befindet. Innerhalb von nur 50 Stunden testet dieser auf 600 verschiedene rezessiv vererbbare Erkrankungen, unter anderem auch NCL.
Nach einem Impulsvortrag durch Frau Serio erarbeiteten wir uns die Positionen verschiedener Interessensgruppen.
Die Moderatoren unserer Diskussionsrunde waren zwei Pärchen, die es in Erwägung ziehen, diesen Kingsmore Präventionschip anzuwenden. Sie hörten sich die, im Vorfeld in Kleingruppen erarbeiteten, Meinungen der unterschiedlichen Positionen an:
- von Eltern eines an NCL erkrankten Kindes,
- islamischen und christlichen Vertretern,
- Forschern und Medizinern,
- Unternehmern, die den Chip herstellen,
- sowie Politikern
- und auch den Krankenkassen.
Unsere als Rollenspiel angelegte Diskussion entwickelte sich in zwei verschiedene Richtungen. Einerseits wurde die Frage hitzig diskutiert, wer die Kosten des Chips übernehmen würde und andererseits, ob Paare sich vor der Empfängnis testen lassen sollten.
Die Eltern, die ein an NCL erkranktes Kind haben, rieten den Pärchen zu dem Test, denn sie betonten, dass diese Erkrankung viel Leid und eine finanzielle Belastung mit sich bringe. Neben der Erblindung ihres Kindes sei jedoch die Unfähigkeit zu kommunizieren für die Betroffenen unerträglich. Beide Elternpaare betonten, ihr Kind zu lieben, hätten diesen Test jedoch in Erwägung gezogen.
In der Frage der Finanzierung des Chips, dessen Einsatz zwischen 450 Euro und 50.000 Euro kostet, sahen vor allem die Politiker eine Aufgabe der Krankenkassen. Diese kamen ihrerseits zu dem Entschluss, dass sie die Kosten nur übernehmen würden, falls der Test positiv ausfallen würde, andererseits lägen die Kosten beim Patienten. Die Unternehmen, die den Chip herstellen, waren natürlich auch für dessen Einführung, da sie wiederum Profit machen wollten.
Immer deutlicher wurde im Verlauf der Diskussion, dass die ethische Relevanz zunehmend aus dem Blickfeld geriet.
Es machte mich nachdenklich, in welcher Gesellschaft wir heute leben, denn müsste der Fokus nicht eigentlich auf den Eltern und dem Kindeswohl liegen? Oder in Betracht ziehen, wohin eine solche Entwicklung uns zukünftig führen wird? Wie schmerzhaft muss es sein, zu wissen, dass das eigene Kind mit ca. 25 Jahren sterben wird oder ab dem 6. Lebensjahr nicht mehr aktiv am Leben teilnehmen kann?
Auch die Forscher und Mediziner, die für den Kingsmore Präventionschip waren, teilten die Meinung, dass man ihn nicht flächendeckend benutzen sollte, sondern nur bei Paaren, bei denen rezessive Erkrankungen vorkommen könnten, um ihnen die psychische Belastung zu nehmen. Insbesondere die islamischen und christlichen Vertreter konnten sich von der finanziellen Frage befreien.
Ich bin der Meinung, dass der Kingsmore Präventionschip in Deutschland eingeführt werden sollte, denn dies bringt Eltern nicht in den Zwiespalt, sich zwischen Leben und Tod ihres Kindes entscheiden zu müssen. Die ethische Frage des Tötens, z.B. durch Abtreibung, wird somit umgangen. (…) Jedoch sollte der Kingsmore Präventionschip nicht flächendeckend eingeführt werden, denn ansonsten werden wir bald in einer Mehrklassengesellschaft leben, in der man zwischen genetischer Norm und davon abweichendem Leben unterscheidet. Auch die Rolle der Fortpflanzung würde sich verändern, sodass wir unsere potenziellen Partner nicht mehr aus Liebe zu ihnen wählen, sondern aufgrund ihrer genetischen Disposition.
Es muss jedem klar sein, dass jegliche Art von Eingriff in die Entwicklung Folgen nach sich zieht, die nicht mehr zu stoppen sind. Fest steht, wir müssen uns diesen gesellschaftlichen und ethischen Fragen mit neuer Dringlichkeit zuwenden und sie gemeinsam diskutieren.