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21. Januar 2016

Studientag: AMERIKA im Thalia Theater

Am Wochenende hatten Schülerinnen und Schüler der Oberstufe die Gelegenheit, an der großartigen Aufführung „Amerika“ gespielt von Philipp Hochmair im Thalia Theater in der Gaußstraße teilzunehmen. Am Sonntag folgte Studientag zu dem Roman von Franz Kafka und ein Gespräch mit dem Ausnahmeschauspieler.

Geleitet wurde dieser erste Studientag von Frau Prof. Dr. Gutjahr (Literaturwissenschaftlerin an der Universität Hamburg) und Studierenden ihres Seminars sowie Frau Mannke (Theaterpädagogin Thalia Theater).

„Ein Roman ist ein komplexes Gebilde hochstrukturiert durch den Autor. In jedem Roman gibt es verschiedene Erzählungen“ (Prof. O. Gutjahr).

Obwohl es sich ganz sicherlich um einen komplexen und umfangreichen Roman handelt, hat Franz Kafka es dem Leser insofern leicht gemacht, als dass „Der Verschollene“ einen seriellen Roman mit deutlichen Stationen darstellt und eine chronologische Erschließung ermöglicht.

Mit sieben folgenden Themen führten die Studierenden und  Frau Prof. Gutjahr durch den Roman. Anhand von Thesen, die durch ausgewählte Zitate untermauert wurden, erläuterten die Studierenden ihr Thema.

1.    Imago Amerika

Das Bild von Amerika, welches Franz Kafka sich vornehmlich durch die Lektüre des Reiseberichtes von Arthur Hollitscher: Amerika heute und morgen. Reiseerlebnisse (1912) erschuf, wird im Roman als ein plakatives Amerika desillusioniert. Amerika – das pulsierende New York, das Landleben und die Verhältnisse des Staates Oklahoma werden- im Gegensatz zu dem kleinen Prag abgebildet. Es geht aber nicht nur um ein äußeres Bild, sondern vielmehr um das innere Bild, die Ressentiments, die Befürchtungen und Vorurteile.

2.    Moderne

New York steht als Sinnbild für die Moderne und zwar nicht im vielsprechenden Sinne eines positiven Aufbruches oder eines großen Versprechens, sondern ebenso als System, in dem es Karl nicht gelingt, sich zu behaupten.

3.    Interkulturalität

Karl versucht sich zunächst durch seine „Heimatkultur“ zu identifizieren und verliert sich zunehmend in der Welt, deren kulturellen Hintergründe ihm unbekannt sind. Bis er am Ende seine Selbstentfremdung markiert, in dem er sich als „Negro“ bezeichnet, nachdem er zuvor schon als Sklave Bruneldas gearbeitet hatte.

4. „Der Verschollene“ als Bildungsroman

Der Protagonist Karl Roßmann kann als „Held“ des negativen Bildungsromans eingestuft werden, denn ihm gelingt es nicht, durch eigene Reflexion eine Weiterentwicklung zu initiieren und er kann keine eigene Innerlichkeit entwickeln. Man könnte ihn auch als unempathischen Protagonisten einstufen, z.B. sein Verhältnis zu Therese, an deren Schicksal er keine Anteilnahme zeigt.

5.     „Der Verschollene“ als Auswanderungsroman

Zwar will Karls Onkel aus seinem Neffen einen richtigen „Amerikaner“ machen, aber da Karl die Gepflogenheiten und Abläufe des Einwanderlandes nicht kennt, bricht er  unbewusst die Meidungsgebote und dieses Austreten aus dem System wird hart sanktioniert, z.B. durch den Verstoß des Onkels. Die Bekanntschaft mit Robinson und Delarmarche, die als Repräsentanten mafioser Strukturen gelten können, leitet den Abstieg Karls ein.

6.    Machtstrukturen

Macht ist ein taktisches Gewaltspiel, in dem einige die Regeln kennen und andere nicht. Nur der Mächtige ist der Spielmacher und so wird Karl zur ohnmächtigen Spielfigur, die sich in den neuen Verhältnissen nicht behaupten kann und sich passiv ergibt.

7.    Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit

Im Laufe des Romans entwickelt sich Karl vom Fürsprecher (Kapitel Heizer) zum Sklaven (Naturtheater Oklahama). Karl nimmt dabei nicht die Verhaltensweisen seiner Umgebung an, sondern akzeptiert seine zunehmende Unterdrückung.

„Mit Karl Roßmann hat Franz Kafka eine Figur konstruiert, die von klein an nicht in die Lage versetzt wurde, reflexiv zu handeln.“ (Prof. O. Gutjahr).

Anschließend arbeiteten die Studierenden mit den Schülerinnen und Schülern vertiefend zu den oben ausgeführten Themen und dann wurden diese Ergebnisse von Schülerinnen und Schülern im Plenum vorgestellt.

Das Gespräch zwischen Frau Prof. Gutjahr und dem Schauspieler Philipp Hochmair war für unsere Schülerinnen und Schüler, die kurz vor ihrem Abitur stehen, ein toller Input. Denn Philipp Hochmair lebt den Unterschied zwischen Job und Beruf, er ist ein berufener Schauspieler, der das Theaterspielen in exzellenter Weise verkörpert, er strahlt Enthusiasmus aus und er will sich selbst immer weiter entwickeln.

Das Wochenendseminar stellte eine erfolgreiche Kooperation zwischen Theater, Universität und Schule dar und bot den Schülerinnen und Schülern die einmalige Gelegenheit sich optimal auf das Abitur vorzubereiten.

Vielen Dank an Frau Prof. Dr. Gutjahr und den Studierenden sowie Frau Manke vom Thalia-Theater für die viele Vorarbeit und die tolle Durchführung. Ich danke auch allen Schülerinnen und Schülern, die ein Wochenende im Thalia Theater verbracht haben und sich damit ganz sicher sehr gut auf das Abiturthema vorbereiten konnten. Die Veranstaltung war ein voller Erfolg!

(Dr. M. Languth)

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