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„Pack das Leben bei den Haaren“ – Borchert, Er-lebt!

Heute Abend wurde ein erlesener Kreis Zeuge der wortgewaltigen, lebendigen, nüchtern-verspielten, mitunter auch verstörend zynisch-distanzierten Sprachbilder Wolfgang Borcherts.

Das Gymnasium Eppendorf präsentierte, gemeinsam mit der Wolfgang-Borchert-Gesellschaft und mit musikalischer Unterstützung der Funky Fishes, einer Schüler-Jazz-Combo des Albert-Schweitzer-Gymnasiums, eine Lesung von Texten Borcherts, lebendig gemacht durch die wunderbare Stimme des Schauspielers Tommaso Cacciapuotis.

Nach einem biografischen Blitzlicht auf Borcherts kurzes Leben – im übrigen ein Schüler unserer Schule – durch Professor Winter von der Borchert-Gesellschaft entfaltete der Abend „das schmale Werk eines jugendlichen Autors“, so Winter, der seine Anregungen vielmehr außerhalb des schulischen Rahmens fand, geprägt von den Umbrüchen einer gottlosen Zeit. Die rhythmische Dynamik des Swing, der zwischen den gelesenen Stücken durch die vier Funky Fishes, Johannes (Trompete), Paul (Gitarre), Lukas (Bass) und Tom (Schlagzeug), dargeboten wurde, „pulsiere“, wie Prof. Winter anmerkte, auch in Borcherts Texten. Diese einerseits kontrastierende Leichtigkeit der Stücke entfaltete andererseits eine jugendlich verspielte Sehnsucht, die den Schmerz kennt, trägt und dem Leben ein „trotzdem“ entgegenstellt.

Die gelungene Auswahl der Borchert-Texte reichte von Geschichten, über Briefe und Gedichte bis hin zu Essayauszügen. Cacciapuoti lieh Borchert seine Stimme und erweckte so den leidenschaftlichen, nach „Kunst, Genie und Größe“ (Aus: Die Komödie des Lebens) Strebenden ebenso zum Leben wie dessen kahle, bisweilen kühle und nüchtern sich in Wiederholungen ergehende Wirklichkeitsbetrachtung. Mit einem Lächeln begegnen beide – Cacciapuoti als Borchert – Borchert in Cacciapuoti – sprachgewaltig in der „Steineinsamkeit“ „Hände[n], Gesichter[n] und Lippen“ (Aus: Bleib doch, Giraffe!), um nicht am „Köpfe kaputt machen“ (Aus: Die Kegelbahn) zu zerbrechen. „Zigeunernde Herzen“, die hatte sie, die Jugend der Nachkriegszeit, die es als „Generation ohne Glück“ vermied, Abschied zu nehmen, in ihrem Leben aus Begegnung, Spurlosig- und Bindungslosigkeit, die sich unermüdlich an das Gute in der Welt klammerte, Getriebene in der Hoffnung auf Neues, unerschütterlich glaubend an die Menschlichkeit (Aus: Generation ohne Abschied). Eindringlich und mahnend, aber nicht ohne die anpackende Wärme des jungen Lebens (vgl. Gedicht um Mitternacht), wird das Publikum „ausgesetzt in die Gestade des Nichts“ (Aus: Unser Pusteblumendasein). Eine Ahnung von der Sinnlosigkeit des Krieges im Leben, Lieben, und Leiden vor Augen, bot dieser Abend einen unvergesslichen Einblick in eine Welt, unsere Welt:

Gestern und Morgen,
unser Leben liegt dazwischen,
kükenfederleicht,
k
atastrophenträchtig,
kostbar und kurz:
Dies Pusteblumendasein.

(Aus: Unser Pusteblumendasein)

(Ka)

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