
Begabtenförderung Kunst Klasse 7 „Kunst und Kunstmarkt“ – Besuch bei Stefanie Busold in ihrem kleinen Museum auf Zeit
Am Freitag, den 19. Mai 2017 machten wir mit der Begabtenförderung Klasse 7 „Kunst und Kunstmarkt“ eine kleine Exkursion in die Kunstwelt. Wir besuchten Stefanie Busold, die Repräsentantin der Villa Grisebach für Norddeutschland, in der Galerie Commeter in der Hamburger Innenstadt. Dort waren hochkarätige Exponate in der Vorbesichtigung der Berliner Auktion der Villa Grisebach zu sehen und zu bewundern.
Im Unterricht hatten wir einzelne Werke bereits besprochen, doch direkt vor den Originalen erlebten wir die Kunstwerke ganz anders. So erschien Max Beckmanns (Leipzig 1884 – 1950 New York) „Tiergarten im Winter“, 1937, Öl auf Leinwand, 75 × 65 cm im Original viel größer und ausdrucksstärker, obwohl wir es in der Schule schon um ein vielfaches vergrößert projiziert betrachtet hatten. Wir erzählten Busold, was wir glaubten, entdeckt zu haben und zeigten es ihr anhand des Originals. Gebannt hörte sie zu und erklärte den historischen und persönlichen Hintergrund der Entstehung des Bildes.
In den Katalogen, die wir geschenkt bekommen hatten, konnten wir auf der Heimfahrt vertiefend nachlesen:
„[…] 1937 entstanden hier [in Berlin] drei Tiergartenbilder […]. Der Künstler malte den Blick aus seinem Fenster auf den verschneiten Weg und die entlaubten, im Herbst zurückgestutzten Bäume. Ihre grotesk verzweigten Äste ragen in die Höhe, während ihr Fuß von dichtem, gleichfalls schneebedeckten Buschwerk umgeben ist. Im Mittelgrund links ist eine geschwungene Brücke zu erkennen.
[…] Die Himmelszone wird von Grautönen bestimmt, ein Wasserlauf von dunklerem Preußischblau. Das Kolorit enthält aber noch ein weiteres Detail von höchster Bedeutung. Das lichte Holz des angeschnittenen Fensterladens – seine Profilierung erinnert an die von Beckmann häufig in seine Bilder integrierte Leiter, die in der von ihm studierten theosophischen Esoterik als Sinnbild für die „Lebensleiter“ gilt – erfährt ein Echo in der Parkbank am Weg unten. Diese könnte, wie im Katalog der Berliner Beckmann-Ausstellung 2015 gezeigt wurde, keine einfache Parkbank, sondern eine sogenannte Judenbank sein. Es ist vorstellbar, dass Beckmann diese Schande im Bewusstsein für das Zeitgeschehen in seinem Bild dargestellt hat. Es ist aber auch denkbar, dass er dieses Wissen gewonnen und in seiner Innenwelt gespeichert hat. Es hätte dann intuitiv Gestalt angenommen. […]
„Tiergarten im Winter“ ist Sinnbild der durch Unfreiheit, Schikane und Verfolgung bedrohten Situation des Künstlers und drückt die Ahnung möglicher kommender Gefahren aus. Es ist sein letzter deutscher Winter. Im Juli des Entstehungsjahres verließ der Maler angesichts der in München bevorstehenden Ausstellung „Entartete Kunst“ Berlin. Er sollte nie wieder in seine Heimat zurückkehren […].“
Der Katalog ist online abrufbar: https://www.grisebach.com/auktionen/kataloge/detailansicht/?katalog[sword]=beckmann&katalog[kat_id]=0&katalog[listnum]=4042587
Die Geschichten, die Stefanie Busold zu den einzelnen Arbeiten erzählte, ließen die jeweilige Entstehung und Geschichte erlebbar werden.
Wir betrachteten und befassten uns auch mit eher abstrakten Arbeiten, stellten unsere Lieblingswerke vor und fragten nach, was denn das kunstvolle sei. Carl stellte das Werk von Raimund Girke (1930 – 2002) Ohne Titel, 1958, Dispersionsfarbe auf Leinwand, 55 × 60 cm vor, ihn begeistert vor allem die Spachteltechnik, die er gearde auch im Kunstunterricht einsetzt und schon drei kleine Leinwände gestaltet hat. Bei Gotthard Graubner (1930 – 2013), „an van Dyck“, 2011/12, Öl auf Leinwand über Synthetikwatte, 162 × 145 × 11 cm stand zunächst die Frage im Raum „Warum bemalt der denn einfach Polster in einer Farbe?“, bis wir die Farbe etwas länger auf uns wirken ließen und die vielen Farbnuancen wahrnahmen, die das Bild flirren ließen. Die Betrachtung der Ränder des Bildes zeigte eine wilde All-Over-Dripping- Struktur des Bildes. Durch diesen Perspektivewechsel von der Betrachtung der Bildfläche von vorne hin zum raumgreifenden Objekt nahmen wir den „Farbraumkörper“ von Graubner noch stärker als einen solchen wahr.
Andy Warhol (1928 – 1987) „Mona Lisa (Four Times)“, Ca. 1979, Siebdruckfarbe auf ungrundierter Leinwand, 127,8 × 101,4 cm war eine Wiederbegegung mit alten Bekannten, da wir selbst Versuche mit der Tontrennung gemacht hatten und die Mona Lisa als Beispiel für drei bis vier Tontrennungsstufen genommen hatten à la Warhols „Marilyns“. Bei Warhol weiß man nie so genau, ob es denn ein echter Warhol ist, da seine Siebe auch von anderen benutzt wurden wie z.B. von Elaine Sturtevant, die einfach Werke von anderen Künstlern für ihre eigene Kunstproduktion nutzte. Diese Kunstrichtung wird Appropriation Art genannt.
Von dem Andy Warhol durften wir dann sogar die Rückseite sehen und konnten erkennen, dass es sich um einen echten Warhol handelt, da er vom Nachlass gestempelt war. Rückseitig viermal der Stempel: © ANDY WARHOL. Mit einer Bestätigung des Andy Warhol Art Authentication Board, Inc., New York, vom 20. Februar 2009. Das Werk ist dort unter der Nr. 104.091 verzeichnet; Darunter die Registriernummer in Bleistift: 104.091.
Aber auch Fotos mit Natur gab es zu bestaunen: z.B. Karl Blossfeldt (1865 – 1932) Chrysanthemum segetum, Wucherblume, 1915/25, Vintage. Silbergelatineabzug. 29,8 × 23,7 cm oder die People-Fotografie von Burt Glinn (1925 – 2008 ) Andy Warhol mit Edie Sedgwick und Chuck Wein, New York. 1965, Späterer Silbergelatineabzug. 33,1 × 22,1 cm.
Es war ein toller Einblick in die Kunst der letzten drei Jahrhunderte mit Arbeiten in Musuemsqualität.
Kurze Statements zur Einladung:
„Die Bilder sehen im Original ganz anders aus. Die Farben sind viel leuchtender. Bei dem Graubner sieht man erst vor dem Bild überhaupt etwas…“
„Frau Busold war toll. Sie wusste zu jedem Bild etwas zu erzählen und ging auf all unsere Fragen ein. Und dann haben wir auch noch so viele Kataloge geschenkt bekommen. Sagen Sie ihr vielen Dank!“
Vielen Dank, liebe Stefanie Busold für diese kurzweilige, anregende Exkursion in die Kunstwelt und Einblicke in den Kunstmarktwelt der Villa Grisebach.
Der Begabtenkurs „Kunst und Kunstmarkt“ Klasse 7 und Janina Arlt