
Audienz beim König
Dienstagmorgen, der Wecker klingelt um 5.30 Uhr in der Früh. Verschlafen machen sich die Ersten fertig, um schnell die Koffer zum Bus zu rollen und so früh wie möglich die Safari anzutreten. Mit müden Augen tritt Lucie als Erste aus ihrem Zimmer und kann ihren Augen kaum trauen. Eine Elefantenkuh steht keine 20 Meter von ihr entfernt mitten auf dem Gelände der Lodge. Lily, die uns durch Namibia guided, mahnt nicht nur Lucie, sondern auch andere Neugierige sofort zurück ins Zimmer zu gehen, keine Gegenstände draußen liegen zu lassen und sich ruhig zu verhalten. Wahrscheinlich ist die Elefantenkuh durch eine Schwachstelle im Zaun ins Camp eingedrungen, um vom Pool zu trinken. Zur allgemeinen Beruhigung: Niemand wurde verletzt, auch die Elefantenkuh nicht. Im Nachhinein waren alle sehr beeindruckt von diesem Kurzbesuch der ganz besonderen Art.
Eingepackt in Pullis, Windjacken und Schals aufgrund der extrem niedrigen Temperaturen, die hier nachts und am frühen Morgen herrschen, kletterten wir aufgeregt in unseren offenen Jeep und ließen die 12-stündige Safari beginnen. So begann auch der zweite Part der Tour mit unserem Guide Nicklaus. Mit maximal 45 km/h bretterten wir nun also durch den Etosha Nationalpark. Das Fahrgefühl in unserem Gefährt war einzigartig, da es zu allen Seiten offen war und einem der ordentlich starke Fahrtwind um die Ohren pustete. Wir fuhren auf keinen festen Straßen, sondern hauptsächlich auf unebenen Schotterwegen. Es war sehr holprig, der Wagen ratterte ununterbrochen und wir wurden 12 Stunden lang durchgeschüttelt. Die Safari an sich war atemberaubend! Das jedoch nicht nur in Bezug auf all die Tiere, die wir bestaunen durften, sondern auch ganz im wahrsten Sinne des Wortes. Denn aufgrund des besonders starken Windes und der Trockenheit wurde uns jedes Mal, wenn ein Auto an uns vorbei brauste, eine riesige Staubwolke entgegengeschleudert. Da unser Jeep rund um offen war, hieß es dann also immer tief einatmen, bevor ein Auto kam und dann erstmal Augen zu und Luft anhalten. Doch unser Guide Nicklaus steuerte uns immer schnell aus diesem Staubinferno hinaus.
Mit seinen geschulten Adleraugen ließ er auch die kleinsten Tiere nicht unbemerkt an uns vorbeiziehen. Dank ihm durften wir eine Vielzahl von Vögeln, wie beispielsweise den unter dem Namen „Flying Banana“ (aufgrund seines großen, gelben Schnabels) bekannten Gelbschnabeltoko, die Riesentrappe, Kampfadler, Drosselwürger, Strauße und viele weitere betrachten. Zebras kreuzten unsere Wege und liefen in großen Herden vor unserem Auto her und auch die Kudus mit ihren spitzen, gewundenen Hörnern, sowie die großen, grauen Oryxe mit ihren besonders geraden, langen und spitzen Hörnern scheuten sich nicht, sich in unsere Nähe zu begeben. Ab und zu schlichen auch kleine Schabrackenschakale, Kuhantilopen und Spring- sowie Steinböcke an uns vorbei.
In welchem Moment wir Adlerauge-Nicklaus ganz besonders für seine Achtsamkeit dankbar sein können und uns auch immer wieder gesagt wurde, „How lucky we are“, war, als er den Wagen ganz plötzlich ruckartig abbremste, uns aufforderte, ganz besonders leise zu sein und uns auf den versteckten Leoparden im hohen Gras in der Nähe des Schotterwegs aufmerksam machte. Nicklaus erzählte uns, dass wir unglaublich großes Glück hätten, da auch er nur circa fünfmal im Jahr einen Leoparden zu Gesicht bekommt. Wir versuchten nun also alle so schnell und leise wie nur möglich, unsere Fotos zu machen und bestaunten dieses wunderbare Tier. Als er sich das erste Mal versuchte vor uns zu verstecken, packte uns alle das Safari-Fieber. Wir lauerten ihm noch ein bisschen auf und wurden sogar noch mit einigen weiteren wunderschönen Momenten belohnt. Dann jedoch verschwand er endgültig und ward nicht mehr zu sichten. Dieser kurze, aber besondere Moment ist und bleibt unvergesslich.
So fuhren wir weiter auf unserer abenteuerlichen Reise und schlugen den Weg in Richtung Nebrowni-Wasserloch ein, um weitere Tiere bestaunen zu können. Das Adrenalin war noch nicht ganz aus unserem Kreislauf verpufft, da packte uns bereits der nächste Schub. Schon vom Weitem bemerkten wir einen ziemlichen Autostau in der letzten Kurve vor dem Wasserloch und wussten sofort, dort muss was sein! Und so war es auch: Der König der Tiere lag gemächlich schlafend unter dem Baum direkt am Rande des Schotterwegs. Natürlich sorgte unser hervorragender Nicklaus für einen perfekten Platz zwischen all den Autos direkt am Baum. Sofort wurden alle vorhandenen Kameralinsen, ob Handy, digital oder spiegelreflex, auf ihn fokussiert. Eifrig wurden einige hundert Bilder in Rekordzeit geschossen, wobei wir ihn aus seinem königlichen Schlaf rissen. Der nur vier Meter von uns entfernte Löwe hob seinen gigantischen Kopf und richtete seine goldenen Augen direkt auf uns. Als er sich plötzlich unerwartet erhob, standen wir ihm Auge in Auge gegenüber, wobei uns allen ein wenig mulmig wurde. Herr Wilksen und Herr Grote waren einem Herzinfarkt bedrohlich nahe.
Für den Löwen waren wir wohl aber doch nicht so interessant wie gedacht, da sich dieser wegdrehte. Königlich setzte er eine blutige Pranke vor die andere und beschritt seinen Weg zum nicht weit entfernten Wasserloch. Die dort trinkenden Springböcke, Strauße und Elefanten nahmen dies sofort wahr. Während die Elefanten sich nicht groß stören ließen, machten die Strauße und Springböcke hingegen sofort Platz am kostbaren Wasser und begaben sich in Sicherheit. Seinen erhabenen Rang im Tierreich nutzte er komplett aus, legte sich in die Nähe des Trinkplatzes und ließ so eine Weile keine anderen Tiere mehr ans Wasser. Dieses ganz besondere Ereignis wird uns allen für immer in Erinnerung bleiben.
Anna und Laura
Trotz allergrößtem Einsatz konnte Nicklaus uns unseren Wunsch, ein Rhino zu beobachten, nicht erfüllen. Gut so, denn eine Safari ist kein Wunschprogramm auf dem Sofa mit Fernbedienung, sondern harte Arbeit, viel Geduld und eine Menge Glück…
Und wieder einmal mussten wir erkennen: „You can’t always get what you want!“